Von Dr. Stefan Hardt, Gründer MeteoViva
Dekarbonisierung ist das neue Zauberwort unserer Zeit – und eine unverzichtbare Maßnahme, um den Klimawandel aufzuhalten und die internationalen Klimaziele zu erreichen. Die globalen ESG-Richtlinien sind hierbei von zentraler Bedeutung. Dass sich der Immobilien-Markt verändert, spüren Anleger und Investoren, potenzielle Käufer und sogar Mietende deutlicher denn je. Höchste Zeit, einen Blick ins Immobilienportfolio zu werfen und zu erklären, welche Maßnahmen jetzt am besten zu treffen sind.
Europa ist sich einig: der Energieverbrauch im Gebäudesektor ist deutlich zu hoch. In einem erst kürzlich von der EU veröffentlichtem Paper heißt es, dass der Gebäudesektor innereuropäisch immer noch für fast 40 Prozent des Endenergieverbrauchs und für 36 Prozent der energiebedingten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist. Deutschland liegt genau in diesem traurigen Durchschnitt. Weil der europäische Green Deal sich die Klimaneutralität bis 2050 zur Aufgabe gemacht hat, muss auch, und vor allem im Gebäudesektor noch einiges passieren. Dekarbonisierung wird aus diesem Grund als Schlüsselwort der Energiewende, als Wertstabilisator für Immobilien, und als Motor der Zukunft gehandelt. In Deutschland wird viel diskutiert: über die Nutzung von erneuerbaren Energiequellen, über die Umstellung auf kohlenstoffarme Baumaterialien, über moderne Gebäudetechnik, über Fernwärme, und natürlich über das Gebäudeenergiegesetz. Dass der Klimawandel die Immobilienbranche nachhaltig verändern wird, dies bereits tut, ist offensichtlich. Neubauten werden zukünftig Standards unterliegen, die Bestandsgebäude zum Großteil nicht erfüllen. Das steigert den Wert von Neubauten und drängt weniger energieeffiziente Bestandsgebäude in den Wertverlust. Das Global-Warming-Potential (GWP), das in jedem Neubau ab 2030 ermittelt und transparent gemacht werden muss, wird in Zukunft ausschlaggebend für Kauf-, Verkaufs- und Halteentscheidungen sein. Aber welche Auswirkungen haben diese Entwicklungen auf Inhaber von Anlageimmobilien? Und wie können diese fit gemacht werden, um der Trendwende im Immobiliensektor resilient begegnen zu können?
Der Energieausweis bestimmt den Preis
Ein Großteil der Immobilien auf dem Markt sind Bestandsgebäude. Auf Grund der niedrigen Zinspolitik der letzten Jahre und der als sicher geltenden Wertbeständigkeit haben viele Menschen in Immobilien investiert. Der Anteil der Anlageimmobilien erreichte 2019 einen bundesdeutschen Höchstwert von über 20 Prozent. Viele dieser Immobilien genügen allerdings den neusten Klima-Standards nicht. Kürzlich titelten große Medien wie der Spiegel und die Tagesschau: Heizungswende und Nachfrageflaute und Preisverfall bei unsanierten Häusern. Obwohl das umstrittene Gebäudeenergiegesetz (GEG) 2024 in einer sehr aufgeweichten Form in Kraft tritt, wird der CO2 Fußabdruck zukünftig den Preis einer jeden Immobilie deutlich mitbestimmen. Mittelfristig werden Anleger das auch im eigenen Immobilienportfolio merken. Aus diesem Grund ist es höchste Zeit, sich einen Überblick über die eigenen Bestände und deren energietechnische Beschaffenheit zu machen und Schwachstellen zu identifizieren und auszubessern. Bestandsgebäude müssen nicht zu einer Flaute im Immobiliendepot führen, werden sie aber, wenn sich deren Besitzer nicht intensiv mit ihnen befassen.
Smarte Bestandsaufnahmen und transparente Zukunftsprojektionen
Immobilienportfolios galten lange Zeit als risikoarme Selbstläufer. Der Klimawandel und die damit einhergehenden Richtlinien (GEG, ESG) überschatten diese Anlagestrategie allerdings und drängen Bestandsgebäude in den Wertverfall. Um diesem entgegenzuwirken, bedarf es einer Dekarbonisierung des gesamten Portfolios. Klingt abstrakt, ist dank Künstlicher Intelligenz (KI) und technologiebasierten Lösungsansätzen aber weniger kompliziert als Anleger denken. Um Maßnahmen zur Dekarbonisierung durchführen zu können, müssen Anleger erst einmal wissen, wo jede einzelne Immobilie im Portfolio steht und welche Maßnahmen überhaupt möglich sind. Dazu gehören neben der Aufnahme der Bausubstanz – maßgeblich für die energetische Sanierung der Hülle – die vorhandene Anlagentechnik zur Heizung und Kühlung, die Eignung für und die Möglichkeiten zum Einsatz von Photovoltaik sowie Fern- oder Erdwärme sowie der aktuelle Energieverbrauch. Diese scheinbar endlose Sammlung von Gebäudedaten stellt hohe Hürden vor den Start eines sinnvollen Planungsprozesses für ESG-Maßnahmen und verzögert gleichzeitig deren Umsetzung. Anstatt die Dekarbonisierung durch die Umsetzung konkreter Maßnahmen und eine langfristige Budget- und Maßnahmenplanung voranzutreiben, investieren Immobilienbesitzer viel Zeit und Geld in vermeintlich zukunftssichere Datenplattformen und die Sammlung von Betriebsdaten.
ESG verstehen und niedrigschwellig zugänglich machen
Die Umsetzung von ESG-Lösungen erscheint oftmals komplizierter, als sie eigentlich ist. Verständnis über Strategie und Maßnahmen ist aber unverzichtbar, um erfolgreich nach den ESG-Richtlinien zu handeln. Wichtig ist deshalb vor allem, dass Nutzer ohne viel Fachwissen und mit nur wenigen Eingaben ihr gesamtes Portfolio erfassen können. KI und Geodatenbanken können hier unterstützend tätig sein. Die Lebenszyklen der Gebäudehülle und Anlagentechnik sollten automatisch einfließen, die spätere Konkretisierung geschätzter Werte durch Messdaten sollte aber trotzdem jederzeit möglich sein. Weiterhin wird es unverzichtbar werden, dass Aktionstypen – katalogisiert nach Hülle, Anlagentechnik, PV und Smart Technologies – inklusive Marktdaten zu Kosten und Erträgen automatisch bereitstehen und nicht händisch bei jeder einzelnen Immobilie verwaltet werden müssen. Das spart Zeit und ist vor allem bei Gewerbeimmobilien ein großer Vorteil.
Die Planung der zahlreichen möglichen Maßnahmen für ein ganzes Portfolio wird schnell sehr komplex, erst recht, wenn Rahmenbedingungen wie Budgets, Haltestrategien, oder kundenspezifische Präferenzen für die Umsetzung hinzukommen. Eine automatisierte Planung sollte unter Berücksichtigung der kundenspezifischen Rahmenbedingungen sowie der Lebenszyklusmaßnahmen den bestmöglichen Umsetzungsplan inklusive Dekarbonisierungspfad errechnen und diesen für die Weiterverarbeitung bereitstellen. Kurz gesagt: eine lange datengetriebene Sammelphase sollte durch einen Schnellstart ersetzt werden und den Nutzer in die Lage versetzen, schnell die richtigen Entscheidungen für Umsetzung von ESG-Maßnahmen zu treffen. Bei Wohngebäuden, aber auch bei Gewerbeimmobilien, die erfahrungsmäßig deutlich komplexer zu verwalten sind.
Mit diesen Merkmalen im Fokus wurde amanteia, ein cloudbasiertes Werkzeug zur optimierten ESG Maßnahmenplanung, gemeinsam von MeteoViva und SAUTER entwickelt.
amanteia gibt Anlegern einen genauen Überblick über den individuellen Dekarbonisierungspfad des gesamten Immobilienportfolios und kann mit wenigen Daten zu Lage, Nutzung und Bausubstanz den CO2-Fußabdruck sowie seine Entwicklung bis 2050 einschätzen. Eine Bestandsaufnahme, auch bei Gewerbeimmobilien, ist auf diese Art schnell und effizient möglich, die Datenauswertung funktioniert ebenfalls digital und dezentral. In einem zweiten Schritt können die ausgewerteten Daten nach Bedarf mit gesetzlichen Vorgaben und Handlungsempfehlungen verknüpft werden - Dekarbonisierungsmaßnahmen können also immer dann durchgeführt werden, wenn es nötig ist und bevor ein Wertverlust stattgefunden hat. So bleiben Anleger mit ihrem Immobilienportfolio zukunftsfit und resilient und können mit den wichtigen Veränderungen Schritt halten.
Dem Gebäudesektor steht eine Zeitenwende bevor. Tools wie amanteia haben sich dieser angenommen und helfen sowohl Anlegern als auch potenziellen Kaufinteressierten, sich besser orientieren und ihr Immobiliendepot anpassen zu können. Klimaneutralität bis 2050 ist zwar eine große Aufgabe, aber mit intelligenten Tools, Planungs- und Handlungsentscheidungen möglich.
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