Von Dr. Andreas Muschter, CEO DACH EDGE
Derzeit wird nahezu überall von Transformation gesprochen. Dabei wird meist auch ein verändertes Mindset gefordert: Weg von einem konsum-orientierten, verbrauchenden Verhalten hin zu einem bewahrenden, nachhaltigen Umgang mit den Ressourcen. So weit, so gut, denke auch ich.
Was mich daran aber immer auch wieder stört, ist das damit implizierte Schwarz-Weiß-Denken, das nur entweder oder kennt. So, als ob man sich entscheiden muss, ob man auf der guten oder schlechten Seite stehen will. Wobei die Rollen schnell verteilt sind: Neubau ist böse, Bauen im Bestand ist gut.
Was dabei unter die Räder kommt, ist ein gründliche Auseinandersetzung mit sowohl dem Problem wie auch mit dem Ziel. Das Problemfeld sind die enormen CO2-Emissionen und der Ressourcenverbrauch des Bausektors, das Ziel ist deren radikale Vermeidung. Dass wir uns dafür unbedingt anschauen müssen, was schon da ist, ist tatsächlich alternativlos. Im selben Atemzug jedoch das Neue zu verdammen, halte ich jedoch für einen großen Irrtum im Sinne der Zielerreichung. Denn wir brauchen beide Welten, und aus beiden das Beste. Nicht jeder Bestandsbau taugt zur Erhaltung, nicht alles Neue hat eine Berechtigung.
Wovon rede ich? Dies möchte ich mit einem Blick nach Niederlanden klarmachen. Dort hat Edge vor rund 10 Jahren damit begonnen, alte Bürogebäude zu revitalisieren. Eines davon, EDGE Amsterdam West, möchte ich gerne vorstellen, um exemplarisch zu verdeutlichen, was ich meine.
Pars pro toto: EDGE Amsterdam West
In der Mitte des Bürogebäudes Edge Amsterdam West erstreckt sich ein großes Atrium, das von einer transparenten Kuppel überdacht ist und eine Fläche von etwa 8.000 Quadratmetern umfasst. In diesem früheren Innenhof finden wir heute nicht nur eine Kaffeebar, sondern auch zahlreiche Tische, Sitzmöglichkeiten und grüne Pflanzen. Darüber hinaus sind offene Treppen integriert, die den Zugang zu den fünf Obergeschossen des Gebäudes ermöglichen.
Das Gebäude hat einen Grundriss, der auf verschiedenen Polygonen basiert, und einen Betonkern, der aus den 1970er Jahren stammt. Im Jahr 2021 wurde eine umfassende Sanierung abgeschlossen, die dem Gebäude, das nun etwa 60.000 Quadratmeter Bürofläche bietet, ein neues Erscheinungsbild verliehen hat. Während der Renovierung wurde das Gebäude komplett entkernt und umfassend umgestaltet. Während des Umbaus wurden die Fassaden zum Atrium hin entfernt, und die dabei anfallenden alten Backsteine wurden wiederverwendet. Zusätzlich wurden alle Fenster ausgetauscht, und nur die zur Stadt ausgerichteten Fassaden behielten ihre ursprünglichen Backsteinflächen bei. Das Design der Renovierung wurde von denselben Architekten entwickelt, die bereits in den 1970er Jahren für den ursprünglichen Entwurf des Gebäudes verantwortlich waren.
Eines der Hauptziele bestand darin, die Struktur des Gebäudes zu bewahren, sowohl in ästhetischer als auch in konstruktiver Hinsicht. Die hohe Qualität des ursprünglichen Baus, der auch heute noch so stabil ist, dass er die neu hinzugefügte Kuppel problemlos tragen kann. Die Kuppel besteht aus drei Schichten Spezialglas, die die Wärmeentwicklung durch Sonneneinstrahlung reduzieren. Zudem kann sie durch Klappen passiv belüftet werden, und bei Bedarf stehen Lüftungsanlagen zur Verfügung.
Aus Technik werde Licht
Zusätzlich wurde in dem teilweise offenen fünften Obergeschoss eine innovative Kühlung eingeführt: Wasser kann durch die Bodenflächen geleitet werden, um eine angenehme Temperatur zu gewährleisten. In diesem Stockwerk war früher ein Großteil der Gebäudetechnik untergebracht, die jedoch im Zuge der Renovierung in den Keller verlagert wurde. Dadurch entstanden im fünften Obergeschoss zusätzliche Büroräume mit einer beeindruckenden Aussicht. Die ehemaligen Technikschächte, die sich über alle Etagen erstreckten, wurden in Lichtschächte umgewandelt, und die Leitungen wurden geschickt hinter den Toiletten installiert. Die Büros werden mittels Klimadecken beheizt und gekühlt. Diese Decken sind mit Sensoren ausgestattet, die verschiedene Parameter wie Temperatur, Licht und Luftqualität überwachen. Dies ermöglicht es, die Raumbedingungen den Bedürfnissen der Nutzer anzupassen.
Neu zu handeln heißt, über den Tellerrand hinaus denken
Das Gebäude in seiner heutigen Gestalt bietet noch zahlreiche weitere Features, die nur dank eines Zusammenspiels aus Alt und Neu möglich sind. Nicht zuletzt wäre dies auch nicht ohne die Erfahrungen und Entwicklungen im Neubau möglich gewesen. Nur mit einem Mindset des „sowohl als auch“ ist es uns möglich, unser ehrgeiziges Ziel zu erreichen, zugleich den Betrieb von Gebäuden zu optimieren, das Wohlbefinden der Mitarbeiter zu steigern und last but not least einen signifikanten Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.
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