Von Thomas Gregor Gawlitta, Founder DMREx
Erst letzten Monat hat das Umweltbundesamt die neusten Zahlen zu den deutschen Klimazielen veröffentlicht. Obwohl diese im Durchschnitt erreicht wurde, hat sich die Bundesregierung sowie sämtliche Umweltaktivist: innen alarmierend gezeigt: Sorgenkinder sind die Sektoren Gebäude und Verkehr. Hier wurden die Klimaziele nicht erreicht. Weil der Gebäudesektor europaweit immer noch für knapp 40% der CO2-Emissionen verantwortlich ist, muss ein radikales Umdenken stattfinden. Besser schon gestern als morgen. Die ESG-Ziele bieten hierfür den Rahmen, und sind nicht nur ein wichtiges Kontrollinstrument für Investoren, sondern stoßen gleichzeitig den Wertewandel in der Gebäudewirtschaft an, den es dringend braucht, um die Immobilienbranche nachhaltig zu verändern.
Drei Buchstaben sollen die Immobilienbranche nachhaltig revolutionieren: E – S – G. Das E steht dabei für Environment, das S für Social und das G für Governance. Ein ganzheitlicher Ansatz, der aufzeigt, dass es nicht mehr ausreicht, sich nur auf Ökologie und Ökonomie zu konzentrieren. Die ESG-Ziele wurden bereits 2006 von den Vereinten Nationen als Initiative zur freiwilligen Selbstverpflichtung ins Leben gerufen und fordern eine Reduktion der Treibhausgase im Immobiliensektor um 50% bis Ende 2025. Außerdem eine Verringerung des Wasserverbrauchs und des Abfallvolumens um jeweils 10% sowie eine Erhöhung des Anteils nachhaltiger Lösungen und Produkte auf über 50% bis Ende 2025. Die ESG-Ziele zeigen, dass sich Klimaneutralität nicht in einem Vakuum befindet, sondern mit der Einhaltung von Menschenrechten, der Bekämpfung von Korruption, und der Förderung von Diversität einhergeht. Nur so kann langfristig der Wohlstand aller Menschen steigen.
Berichtspflicht entlang der gesamten Wertschöpfungskette
Im Rahmen des Corporate Sustainability Reporting Directives, einer im November 2022 verabschiedeten EU-Richtlinie, wurde die ESG-Berichtspflicht ausgeweitet. Was als Initiative ohne Verpflichtung und einheitliches Gütesiegel angefangen hat, wird spätestens im Januar 2024 zur neuen Normalität in der Europäischen Union werden. Ab dann müssen alle großen, börsennotierten Unternehmen ihre ESG-Berichte in den Lagebericht ihres Unternehmens einspeisen. In mehreren Schritten folgt die Offenbarungsflicht bis 2028 dann auch für mittlere und kleine Unternehmen. Die ESG-Berichte werden es in Zukunft ermöglichen, ein ganzheitliches Bild eines Unternehmens zu bekommen. Die komplette Wertschöpfungskette wird sowohl auf ihre Energiebilanz als auch auf die Beachtung der Menschenrechte und Arbeitnehmerstandards, den Wasser- und Plastikverbrauch sowie die Annäherung an die Sustainable Development Goals (SDGs), also die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen, untersucht. Transparenz schafft Vergleichbarkeit, und Vergleichbarkeit stößt Wandel an, weil Unternehmen mit schlechten ESG-Bilanzen in naher Zukunft nicht mehr wettbewerbsfähig sein werden.
Risikokapital nur noch für grüne Zukunft
Die neue Pflicht zur standardisierten ESG-Berichterstattung wird den Gebäudesektor deshalb nachhaltig zum Positiven verändern. Projekte, die den ESG-Standards nicht entsprechen, werden weniger Investoren finden und weil sie nicht anpassungs- und zukunftsfähig sind, werden sie langfristig kein Risikokapital mehr bekommen. Das Prinzip der Corporate Social Responsibility, also der Unternehmensverantwortung, spielt hier eine entscheidende Rolle. Nur, wer sich als Unternehmen tatsächlich und ganzheitlich, ökologischen und sozialen Zielen verschreibt, kann zum Wandel beitragen und in einem Wettbewerb bestehen, dessen Disziplinen sich verändern. Der Zeitgeist heißt heute ethische Verantwortung, und nicht mehr Maximalgewinn. Um diese Verantwortung zu messen, sind die ESG-Berichte ein entscheidendes Mittel. Dieses Mittel zu nutzen kann zu Beginn herausfordernd sein. Energiemonitoring entlang der gesamten Wertschöpfungskette ist aber dank digitaler Lösungen mittlerweile gut möglich. Unternehmen werden sich in diese neue Struktur hereinfinden (müssen) und können die neuen Richtlinien für sich nutzen. Positive ESG-Berichte steigern den Wert eines jeden Unternehmens. Aus diesem Grund sollten sich auch junge Start-Ups von Anfang an auf die bestmögliche Einhaltung der ESG-Ziele konzentrieren und die Berichte von Anfang an veröffentlichen. Am Zahn der Zeit zu sein bedeutet auch, im Wettbewerb bestehen zu können. Dieser ist heute anspruchsvoller denn je, weil Unternehmen nicht nur wirtschaftlich, sondern auch ethisch denken müssen und nicht mehr nur Verantwortung für ihre Kund:innen tragen, sondern auch für die Welt, in der diese Kund:innen leben.
ESG-Bericht, aber wie?
Neue Regelungen gehen mit neuen Herausforderungen einher. Das ist normal und das empfinden alle Menschen als ähnlich verunsichernd. Um Unternehmen in ihrer Berichterstattung zu unterstützen, hat die Global Reporting Initiative deshalb Berichtsstandards zu Verfügung gestellt. Auch wenn Unternehmen laut EU-Standards noch nicht zur Offenbarung verpflichtet sind, kommen einige börsennotierte Unternehmen ihrer Nachhaltigkeits-Verpflichtung bereits heute nach. Zalando und Hello Fresh, zwei führende deutsche Unternehmen mit jeweils knapp 20.000 Mitarbeitenden, sind Beispiele hierfür.
Zalando, Europas führende Plattform für Kleidung und Lifestyle, veröffentlicht seit 2020 Fortschrittsberichte zur Nachhaltigkeit in den ESG-Bereichen in einem eigenständigen Report. Das Unternehmen schreibt, dass es seine „soziale und ökonomische Verantwortung anerkennt“ und veröffentlicht deshalb Strategien, um die Energiebilanz zu drücken und den Abfall zu minimieren, außerdem zeigen sie ihr Risikomanagement und aktuelle Zahlen in allen Bereichen auf. Auch Hello Fresh, die seit 2011 vorgefertigte Lebensmittelboxen an Kund:innen liefern, veröffentlichen jährlich einen solchen Bericht. In engem Bezug zu den SDGs hat das Unternehmen seine Ziele zur Reduktion von Lebensmittelverschwendung, Dekarbonisierung und dem Wassersparen publiziert und Daten zum Energieverbrauch sektorspezifisch aufgedröselt. In ihrem Bereich konzentrieren sie sich außerdem auf die Arbeitsbedingungen aller Mitarbeitenden entlang der gesamten Wertschöpfungskette, außerdem auf Diversität und Inklusion. Bei Zalando und HelloFresh wechseln sich quantitative Kernfakten mit qualitativen und anschaulichen Geschichten ab, und Investoren können auf diese Weise einfach und transparent nachverfolgen, wo die jeweiligen Unternehmen in Bezug auf ihre ESG-Ziele stehen, und wie sie sich entwickeln.
Diese Beispiele zeigen, dass Transparenz und sozial-ökologische Verantwortung das neue Wertesystem der Immobilienbranche prägen werden. Start-Ups müssen sich anpassen, um auch in Zukunft Risikokapital zu generieren, und grün wachsen zu können. Dass Erfolg nur noch mit einer Pflicht zu Nachhaltigkeit funktionieren wird, ist ein wichtiger, und revolutionärer Schritt, um die Branche zu verändern und einen ganzheitlich positiven Impact zu erreichen.
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