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AutorenbildThomas Gawlitta

Green Aviation – Zukunft oder Utopie?


Zum dritten Mal in Folge hat der Verkehrssektor seine Klimaziele verfehlt. Um das europäische Ziel, bis 2050 klimaneutral zu sein, erreichen zu können, muss die Energiewende her. Nicht nur auf den Straßen, sondern auch in der Luft. Aber ist Green Aviation tatsächlich möglich? 


Die vergangenen Jahre müßiger Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen haben gezeigt, dass Verbote wenig bringen. Politische Mehrheiten finden sich kaum, dafür spaltet sich die Gesellschaft an Heizungsdebatten. Anstatt Verbote auszusprechen, sollte an Innovationen gearbeitet werden. Das gilt auch für die Fliegerei. Laut Statista sind im Jahr 2023 38 Millionen Flugzeuge auf der ganzen Welt gestartet. Das sind mehr als 100.000 am Tag. Ungefähr vier Prozent des weltweiten Emissionsausstoßes gehen auf diese Zahlen zurück, Tendenz steigend. Auf Grund von wachsendem Handelsvolumen, einem Tourismus-Boom und Schwellenländern, die sich gerade erst den Luftraum erschließen, rechnen Experten damit, dass sich das Flugaufkommen in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten verdoppelt. Laut Europäischem Parlament ist der Flugsektor, trotz steigendem Bewusstsein über seine Schädlichkeit für das Klima, der Sektor mit dem am stärksten zunehmendem Emmissionsaufkommen. Für das Klima ist das ein riesiges Problem.


Luftfahrtunternehmen und an ihnen hängende Konzerne wissen das. Die internationalen Richtwerte des Pariser Klimaabkommens und auch die europäischen Richtlinien, bis 2050 klimaneutral zu sein, sitzen ihnen im Nacken. Die Welt der urbanen Luftmobilität ist kapitalkräftig. Und sie ist bereit, in die grüne Transformation einzusteigen. Der deutsche Traditionskonzern Lufthansa hat vor Kurzem die Luftfahrt-Ingenieurin Grazia Vittadini in den Vorstand geholt. Sie will die Zukunft des Fliegens gestalten und setzt auf Wasserstoff-Flugzeuge und synthetische Treibstoffe. „Wir werden weltweit die ersten sein, die mit Solartreibstoff fliegen“, schreibt die Lufthansa-Group auf ihrer Website. Sie stellt einen Reduktionsfahrplan vor, eine Mobilisierung der Flugzeugflotte und die Erzeugung nachhaltiger Flugkraftstoffe, Sustainable Aviation Fuels (SAF). Außerdem können Passagierinnen und Passagiere ihre Emissionen schon beim Kauf des Tickets für wenige Euros kompensieren und kriegen dafür Statusmeilen.  


Ist es die Flugscham also passé?


Jein. Selbst dem passioniertesten Vielflieger wird wohl bewusst sein, dass die Green Fares lediglich einen Bruchteil des ausgestoßenen CO2s kompensieren. Eine Transformation ist über diesen Hebel unmöglich. Bei den SAFs lohnt es sich aber, genauer hinzuschauen. Aktuell beträgt der Anteil von SAFs, also von Kerosin ohne fossile Ausgangsstoffe, 0,2 Prozent. So viel Pommes kann man gar nicht essen, wie Speiseölreste gebraucht werden, möchte man meinen. Das stimmt. Weil rein biologisch hergestellte SAFs unmöglich den steigenden Kerosin-Bedarf decken können, wird aktuell außerdem an E-Fuels geforscht. Aus Strom, Wasser, und CO2 aus der Atmosphäre wird Wasserstoff hergestellt, der dann als Treibstoff dienen soll. Dass die SAFs eine gute Idee sind, zeigt sich, wenn man nach Brüssel und Straßburg schaut. Das Europäische Parlament hat ihre Nutzung bereits in ein Regelwerk aufgenommen: Bis 2030 muss jedes Flugzeug, das in Europa abhebt, mindestens sechs Prozent SAFs im Tank haben, 2050 sollen es 70 Prozent sein.


Auf den ersten Blick klingt das gut, die Dekarbonisierung des Flugsektors ist also tatsächlich eine Möglichkeit, und keine Utopie von Idealisten oder Flugkonzernen. Einfach umzusetzen ist sie aber nicht. SAFs sind heute fünf Mal so teuer wie herkömmliches Kerosin, die Massenherstellung ist in dem nötigen Umfang auf Grund fehlender Strukturen noch gar nicht möglich. Denkt man weiter wird also klar, dass sich nicht nur die direkten Emissionen der Flugzeuge, sondern die komplette Struktur von Flughäfen ändern muss. Ein Mammutprojekt. Flughäfen werden in Zukunft nicht mehr als Insellösungen, etwas abgelegen von Großstädten in seelenlosen Betonklötzen, funktionieren können, sie müssen anders gedacht und bebaut werden. Next Generation Airports werden gebraucht, die Energielieferant, nicht Energieschlucker sind. Auf den wenigsten Flughafendächern gibt es heute PV-Anlagen. Flugzeugfahrzeuge fahren immernoch zum Großteil mit Diesel, Gebäude sind aus Beton. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Bodenabfertigungen müssen sich ebenso verändern wie der Prozess des Fliegens, nur dann ist Green Aviation als komplexes und interdisziplinäres Projekt möglich.


KI ist bei dieser Transformation unverzichtbar


Der Markt – und Fliegen ist ein stetig wachsender – wird sich grundlegend verändern müssen, um den Klimaschutzzielen gerecht zu werden. Dass Ideen für die Umsetzung da sind, ist wichtig, aber unzureichend. Transformation braucht vor allem eine Instanz, die Prozesse optimiert, analysiert, teilt. KI hat die Fähigkeit, Märkte fundamental zu verändern. Im Prozess vom aktuellen klimaschädlichen Fliegen hin zu Green Aviation, wird sie eine entscheidende Rolle spielen, denn nur mit einem datenzentrierten Technologieansatz von Flug- bis Bodenbetrieb ist eine tatsächliche Veränderunge möglich.


Die Optimierung des Verkehrsmanagements – möglichst ausgelastete Maschinen, unnötige Zwischenstopps vermeiden – und die des Kraftstoffeinsatzes können schon heute vermehrt eingesetzt werden. KI wird außerdem dabei helfen müssen, neue Flugzeuge zu designen, die besser an die veränderten Bedingungen angepasst sind, und KI wird die Herstellung von SAFs optimieren. Eine vorausschauende Instandhaltung und ein generelles Energiemanagement werden außerdem essenziell sein, um den Flugsektor ganzheitlich zu transformieren. 


Dass der Weg dahin lang und deutlich komplizierter ist, als von der Branche kommuniziert, sollte klar geworden sein. Dass nicht fliegen für das Klima immer noch besser ist, als den eigenen Flug zu kompensieren, ist ebenfalls offensichtlich. Dass dies nicht immer so bleiben muss, macht aber Hoffnung.  


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