Von. Dr. Patrick Bergmann, Geschäftsführer Madaster Germany
Die Baubranche steht vor einer grundlegenden Transformation: weniger CO2-Emissionen, effizientere Ressourcennutzung und eine stärkere Fokussierung auf nachhaltige Bauweisen. Doch ein oft übersehenes Potenzial liegt in der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA) – ein Bereich, der nicht nur erhebliche Mengen an wertvollen Rohstoffen enthält, sondern auch maßgeblich zur CO2-Bilanz beiträgt.
Die versteckten CO2-Emissionen der TGA
Technische Gebäudeausrüstung umfasst alle Systeme und Installationen eines Gebäudes – von der Heizung über die Lüftung bis hin zur Elektrik. Diese enthalten Rohstoffe wie Kupfer, Aluminium und seltene Erden, die in der Produktion besonders energieintensiv sind.
Laut Studien können die sogenannten grauen Emissionen, die bei der Herstellung und Montage entstehen, bis zu 50 % der gesamten grauen CO2-Emissionen energieeffizienter Gebäude ausmachen. Besonders betroffen sind Bauweisen mit hohem Holzanteil oder spezielle Gebäudetypen wie Laborgebäude, die durch ihren hohen technischen Anspruch eine aufwendige TGA benötigen.
Trotz dieses erheblichen Anteils werden die Emissionen der TGA in der Praxis oft nur pauschal bewertet. Damit wird ein enormes Einsparpotenzial vernachlässigt.
Eine Lösung für mehr Nachhaltigkeit: Fokus auf die TGA
Madaster, LIST Eco und Partner und Partner Architektur haben dieses Problem erkannt und sich zum Ziel gesetzt, die CO2-Emissionen der TGA stärker in den Fokus zu rücken. Im gemeinsamen Paper „TGA, graue Emissionen und Zirkularität – Status Quo und aktuelle Herausforderungen“ wurden die Haupttreiber der Emissionen analysiert und Ansätze für Optimierungen formuliert.
Eine zentrale Erkenntnis: Um den Einfluss der TGA zu reduzieren, reicht die klassische Ökobilanz nicht aus. Stattdessen muss auch die Zirkularität – also die Wiederverwendbarkeit und das Recyclingpotenzial der Materialien – berücksichtigt werden.
Tools und Methoden für eine zirkuläre Zukunft
Die Kombination von Ökobilanz und Zirkularitätsbewertung ermöglicht eine präzisere Analyse der Lebenszyklus-Emissionen von Gebäuden. Zwei entscheidende Werkzeuge sind dabei der Madaster Zirkularitätsindex (ZI) und der Detachability Index (DI).
Der Zirkularitätsindex bewertet, wie gut Materialien recycelbar sind.
Der Detachability Index zeigt auf, wie einfach die Bauteile eines Gebäude am Ende ihrer Lebensdauer auseinandergebaut werden können.
Ein weiterer entscheidender Faktor ist die Nutzung von Building Information Modeling (BIM). BIM ermöglicht eine detaillierte Erfassung und Verwaltung von Gebäudedaten über den gesamten Lebenszyklus. Insbesondere bei der Planung und Bewertung der TGA kann diese Methode helfen, ökologische und ökonomische Auswirkungen genauer abzubilden.
Obwohl derzeit nur wenige Planungsbüros BIM-Modelle speziell für die TGA nutzen, zeigen erste Pilotprojekte vielversprechende Ergebnisse.
Was fehlt für eine flächendeckende Umsetzung?
Damit die zirkuläre TGA-Planung zum Standard wird, braucht es vor allem:
Umfassendere Daten: Viele Material- und Produktinformationen sind noch nicht vollständig verfügbar.
Regulatorische Anreize: Gesetzliche Vorgaben und Fördermaßnahmen könnten den Prozess beschleunigen.
Fazit: Ein ungenutztes Potenzial heben
Die Technische Gebäudeausrüstung birgt ein enormes Potenzial für die Reduktion von CO2-Emissionen und die Förderung der Kreislaufwirtschaft. Durch den gezielten Einsatz von BIM, innovativen Methoden wie dem Zirkularitätsindex und einer stärkeren Berücksichtigung der grauen Emissionen können sowohl ökologische als auch ökonomische Vorteile realisiert werden. Die TGA sollte nicht länger ein blinder Fleck in der Nachhaltigkeitsdiskussion sein. Es ist Zeit, sie ins Zentrum der Planung zu rücken – für eine zukunftsfähige, ressourcenschonende Bauweise.
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